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LETTERS FROM FOREIGN SCHOLARS.

sich von den hervorragenderen deutschen Forschern, die mit sprachtheoretischen Erörterungen vor das Publikum traten, einer dauernd von solchen Illusionen frei zu halten verstanden, Heymann Steinthal. Aber der war zu einseitig Philosoph, blieb zu einseitig im Allgemeinen stehen, um in weiterem Umfang auf die Détailforschung einwirken zu können, und er berücksichtigte auch zu wenig gerade das Moment im Sprachleben, auf dessen Klarlegung die Specialforscher vor Allem auszugehen hatten, das Entwicklungsgeschichtliche. Da war denn unter den Indogermanisten Whitney der erste, der wahrhaft gesunde, von allem phantastischen und trübenden Schein freie Anschauungen über das Wesen der Sprachgeschichte dem Publikum vorlegte.

Diese Ansichten erschienen wohl im Anfang diesem und jenem, der von der Lektüre anderer Werke über denselben Gegenstand, namentlich von der Lektüre von Max Müller's Vorlesungen herkam, als allzu nüchtern, wenn nicht gar als zu platt. Aber es ist hier Whitney nicht anders gegangen als anderen Denkern, die einfache, wenn auch nicht bekannte und gewürdigte Wahrheiten zum ersten Male in einfache Worte zu kleiden verstanden haben. Alle wahrhaft Sachverständigen freuten sich der wohlthätigen Nüchternheit und Klarlieit der Whitney'schen Darlegungen, und bald stand das Urtheil fest, dass etwas Besseres über Sprachgeschichte bis dahin nicht vorgebracht sei.

Das Wichtigste, was Whitney lehrte, war etwa Folgendes. Wenn man der Sprache eine selbständige Existenz, gewisse Thätigkeiten, gewisse Neigungen oder Launen, eine Fahigkeit der Anpassung an die Bedürfnisse des Menschen und dergleichen mehr zuschreibt, so sind das figürliche Ausdrücke. Sie bezeichnen nicht die Sache selbst, und man darf sich nicht durch sie verblenden lassen. In Wirklichkeit lebt die Sprache nur in der Seele und auf den Lippen derer, die sie sprechen. Alle Veränderungen in der Fortentwicklung der Sprachen dienen der Befriedigung von Bedürfnissen des menschlichen Geistes. Doch waltet dabei so gut wie nie bewusste Absicht, darum ist die Sprache kein Kunstprodukt. Sie ist aber auch kein Naturprodukt. Da alles, was die Sprache eines Volkes