Page:Wittgenstein - Tractatus Logico-Philosophicus, 1922.djvu/58

This page does not need to be proofread.

LOGISCH-PHILOSOPHISCHE ABHANDLUNG

3.322 Es kann nie das gemeinsame Merkmal zweier Gegenstande anzeigen, dass wir sie mit demselben Zeichen, aber durch zwei verschiedene Bezeich- nungsweisen bezeichnen. Denn das Zeichen ist ja willkiirlich. Man konnte also auch zwei ver- schiedene Zeichen wahlen, und wo bliebe dann das Gemeinsame in der Bezeichnung.

3.323 In der Umgangssprache kommt es ungemein haufig vor, dass dasselbe Wort auf verschiedene Art und Weise bezeichnet — also verschiedenen Symbolen angehort — , oder, dass zwei Worter, die auf verschiedene Art und Weise bezeichnen, ausserlich in der gleichen Weise im Satze ange- wandt werden.

So erscheint das Wort „ist" als Kopula, als Gleichheitszeichen und als Ausdruck der Existenz ; „existieren" als intransitives Zeitwort wie „gehen" ; „identisch" als Eigenschaftswort ; wir reden von Etwas, aber auch davon, dass etwas geschieht.

(Im Satze „Grun ist griin" — wo das erste Wort ein Personenname, das letzte ein Eigenschaftswort ist — haben diese Worte nicht einfach verschiedene Bedeutung, sondern es sind verschiedene Sy m bole.)

3.324 So entstehen leicht die fundamentalsten Ver- wechslungen (deren die ganze Philosophic voll ist).

3.325 Um diesen Irrtumern zu entgehen, miissen wir eine Zeichensprache verwenden, welche sie ausschliesst, indem sie nicht das gleiche Zeichen in verschiedenen Symbolen, und Zeichen, welche auf verschiedene Art bezeichnen, nicht ausserlich auf die gleiche Art verwendet. Eine Zeichensprache also, die der logischen Grammatik — der logi- schen Syntax — gehorcht.

(Die Begriffsschrift Frege's und Russell's ist eine solche Sprache, die allerdings noch nicht alle Fehler ausschliesst.)

54